Ein riesiger Backsteinbau irgendwo in Los Angeles. In dem tritt Henry Chinaski wieder einmal einen neuen Job an, seine Aufgabe: Er soll Autozubehör in Schachteln verpacken. Er dürfe nicht rauchen, sagt der Boss bevor er den Raum verlässt. In der nächsten Einstellung sieht man Chinaski – von außen gefilmt – rauchend, am einzigen Fenster des riesigen Gebäudes. In der Fabrik für Essiggurken geht es solange gut, bis Chinaski eines Tages betrunken zum Arbeitsplatz kommt. In einer heruntergekommenen Fahrradwerkstatt schuftet Chinaski bis er es nicht mehr aushält. »Ich gebe euch meine Zeit«, brüllt er den Werkstattbesitzer an, als das Arbeitsverhältnis endet. Dazwischen lernt Chinaski Frauen wie Jan (Lili Taylor) in Bars kennen, Säuferinnen wie er selbst. Nach kurzer Zeit lebt er mit ihr zusammen – genau wie die Jobs ist das Ablaufdatum der Beziehungen relativ bald gekommen. Pferdewetten gehören ebenso zum Leben dieses Suchenden und zwischen den alltäglichen Wahnsinnigkeiten schreibt Chinaski und verschickt seine Kurzgeschichten an kleine Literaturzeitschriften.
Chinaski und Bukowski
Der Film »Factotum« erzählt anekdotisch Erlebnisse von Charles Bukowskis Alter Ego Henry Chinaski nach: Die miesen Jobs. Die abgewohnte Bleiben. Die ebenfalls bereits vom Leben gezeichneten Frauen – meist Trinkerinnen wie Chinaski selbst. Vielleicht stimmt es, dass Süchtige ihre Sucht nur haben, um nicht zu verletzlich zu sein? Trotz aller Härte des Lebens gelingt Regisseur Bent Hamer ein meist zärtlichster Blick auf das Leben seines Protagonisten. Irgendwann fällt der Schlüsselsatz: Man solle seinen Weg mit allen Höhen und Tiefen gehen. Vielleicht ist das einer der stärksten Momente des Filmes: Chinaski verlässt Jan, weil die Zeit einfach gekommen ist, weiter zu gehen. Die vermeintliche Sicherheit zurücklassend, geht er wieder hinaus auf die Straße. Irgendwann fällt der Schlüsselsatz: Man solle seinen Weg mit allen Höhen und Tiefen gehen. Das tut Chinaski im Film, tat der Autor Bukowski vermutlich im richtigen Leben. Was es tatsächlich bedeutet, in L.A. kein Geld und keine Wohnung zu haben, wird in »Factotum« nur angedeutet.
Rourke und Dillon
Natürlich denkt man an Barbet Schroeders Bukowski-Verfilmung »Barfly« – damals ebenfalls großartig und noch nicht schönheitsoperiert: Mickey Rourke. Ein Film der direkter und sicher ungeschönter zu erzählen wusste. Trotzdem sollte man »Factotum« unbedingt sehen. Als Bukowski-Leser sowieso und auch wegen Matt Dillon: Der überzeugt und gibt die Hauptfigur zerbrechlich, stark und zärtlich zugleich.
Bei der Musik zum Film fallen neben den Stücken klassischer Musik, die Bukowski aka Chinaski gerne hört, insbesondere die zwei Beiträge der norwegischen Gruppe Dadafon auf, nämlich die Stücke »I wish to weep« und »Slow Day«. Die stammen aus dem Album »Lost Love Chords«, das bereits letztes Jahr erschienen ist.
Derzeit in österreichischen Kinos.
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